top of page
Auf unbekannten Pfaden

Eine Wanderung im Krimmler Achental brachte mich diesen Sommer kräftemäßig an meine Grenzen - und erinnerte mich an das Lebensgefühl und die wirtschaftliche Situation so vieler Menschen in Zeiten von Covid-19. Ich erkämpfte mir in unvertrautem Terrain auf steinig-sumpfigen Wegen Schritt für Schritt den beträchtlichen Anstieg. Ich rang um Luft und hatte berechtigte Zweifel, ob ich dieser Tour tatsächlich gewachsen bin. Aufgeben oder weitergehen?

 

​

Zunächst einmal: langsamer gehen! Sehr langsam gehen ... und doch in Bewegung bleiben. Je langsamer ich wurde, desto mehr entdeckte ich Beeren: Heidelbeeren, Wacholderbeeren und vermutlich auch Preiselbeeren. Als Städterin kannte ich Letztere nur aus dem Glas. Standardmäßig hätte ich sie gerne im Internet abgeglichen, hatte aber natürlich keinen Empfang. Was tun, verzichten oder kosten? Ich versuchte mich an Sachinformationen zum Thema Preiselbeeren zu erinnern - außer Kochrezepten war da leider nicht allzu viel da. Klar war mir: was ich hier sehe, sind keine Tollkirschen und keine Vogelbeeren, also wagte ich den Test und tatsächlich, sie schmeckten nach Preiselbeeren. Nachdem ich im Laufe der nächsten Stunde keine Probleme damit hatte, entschied ich: das sind Preiselbeeren, davon kann ich mehr essen. Wegmarkierungen bekamen eine besondere Bedeutung, signalisierten sie mir doch, dass ich immer noch auf dem gewählten Weg war, wohin auch immer er mich bringen würde. Am Wegrand wuchs Arnika, das meine Mutter mir in meiner Kindheit mit dessen heilender Wirkung gezeigt hatte. Auf 2200 Metern machten wir bei einer unbewohnten Hütte Rast und füllten am Brunnen unsere Flaschen: ungefiltertes, pures Quellwasser. Wie sehr fühlte ich mich auf mein Grundvertrauen zurückgeworfen: Die Natur ist hier intakt und ich darf nehmen. Auch ich bin/mein Körper ist intakt und er kann die eine oder andere unerwünschte Verunreinigung gut hinnehmen. Danach machte ich mich mit meinen treuen Wegbegleiterinnen - meinen Töchtern, die ohne zu murren auf mich warteten oder hinter mir hergingen - auf den Heimweg. Erneut eine körperliche Herausforderung, aber schaffbar, ich hatte ja schon Erfahrungen gesammelt.

​

Für große Herausforderungen - und sei es Covid-19 im nächsten Arbeitsjahr - nehme ich mir mit:

1. Wie unwegsam und unabsehbar die vor mir liegende Route auch sein mag, sie hält ungeahnte und stärkende Ressourcen für mich bereit. Experimentieren und eine gewisse Risikobereitschaft gehören dazu.

2. Ich erinnere mich daran, auf manche meiner bislang wenig genutzten und dennoch vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten zurückzugreifen und sie auch außerhalb des aktuell Notwendigen oder gerade Sinnvollen zu pflegen.

3. Ich kann mich auf WeggefährtInnen und auf mich selbst verlassen, Schritt für Schritt tun sich Wege auf, seien sie auch mühsam.

4. Der Weg auf unbekannten Pfanden ähnelt nicht einem Gipfelsturm, sondern einem Marathon (eine Aussage, die ich während der letzten Monate zu Covid-19 gelesen habe). Es geht um ein Kräfte-Fokussieren und das beginnt in meinem Denken über mich selbst, in meiner Achtsamkeit für mein Umfeld, in meinem Vertrauen ...

​

​

bottom of page